Es war einmal.... das Märchen vom Talent
Was hat Talent mit dem alten Babylonien zutun? Und warum reden seit Jahrzehnten alle davon, dass jemand Talent hat, oder eben nicht?
Ich beginne mal von vorne:
“Das Talent”, kommt nämlich eigentlich vom griechischen Wort “talanton”, das für Waage oder Gewicht steht und war ursprünglich eine altbabylonische Maßeinheit der Masse. Wir reden heute bei Masse bzw. umgangssprachlich bei Gewicht eben von Kilogramm. Auch im Alten Testament steht das Talent noch in dieser ursprünglichen Bedeutung. Warum reden wir dann heute von Talent als eine besondere Fähigkeit die einen Menschen sozusagen in die Wiege gelegt wurde? Dann lies’ mal weiter…
Inhaltsverzeichnis
Wann wurde das Talent zu Talent?
Wenn wir heute von “Talent” sprechen, dann sprechen wir davon, dass jemand eine besondere Fähigkeit hat, die er oder sie sozusagen in dieses Leben mitgebracht hat und angeboren ist. Wie bereits eingangs erwähnt war die eigentliche Bedeutung eine Maßeinheit. Nicht mehr und nicht weniger. Aber nicht nur als (umgangssprachlich) Gewicht fand das Talent seine Anwendung. So wie wir heute zB. über Euro reden, hatte Marcus Licinius Crassus als reichster Römer seiner Zeit am Ende seines Lebens ein Vermögen von 7100 Talenten. Nicht schlecht Herr Specht.
Auch im Alten Testament wird das Talent noch in seiner ursprünglichen Bedeutung verwendet. Erst im Neuen Testament wird mit der Erzählung über das “Gleichnis von den anvertrauten Talenten” auf die heutige, uns bekannte Bedeutung des Talents – also die Anlage zu einer Fähigkeit – gesprochen. In der erwähnten Erzählung heißt es, dass der Mensch mit Gaben ausgestattet ist, die er in Treue zu verwalten und zu mehren hat. “Haben” bedeutet kurz über Talente zu verfügen.
Talent im heutigen Sinne
In unserem Sprachgebraucht wird Talent heute auch als besondere Begabung verstanden. Und zwar ist es sozusagen die (besondere) Leistungsfähigkeit einer Person auf einem bestimmten Gebiet. Man redet zum Beispiel davon, dass jemand musikalisch begabt ist, oder eben Talent für Musik hat. Kurzum, Talent zu etwas ist angeboren, egal, ob dieses Talent jemals ausgeübt wird, oder nicht.
Auf der anderen Seite steht das erlernte Wissen, das durch Übung und Beschäftigung mit dem Gebiet erworben wird.
Jede/r hat Talent und eine Erfolgsformel
Ja du hast richtig gelesen. Ich bin seit Jahren, eigentlich noch bevor ich selbst mit Musik und dem (professionellen) Singen begonnen habe der Meinung, dass Talent einfach ein Mythos ist, der sich schon viel zu lange hält. Mittlerweile gibt es Studien dazu, dass die eigentliche Erfolgsformel für Leistung Können x Wollen x Möglichkeiten ist.
Können
Können heißt, wie das Wort schon sagt, dass jemand etwas kann. In unserem Fall ihr/sein Instrument, also ihre/seine Stimme und Bühnenperformance so gut wie möglich beherrscht. Um deine Stimme zu beherrschen und das Maximum aus deiner Bühnenperformance heraus zu holen, braucht es vor allem eines: Übung.
Vocal Training und ganzheitlicher Gesangsunterricht sind sehr gute Möglichkeiten dafür. Warum Gesangsunterricht cool ist, kannst du in meinem Beitrag “5 außergewöhnliche Gründe für singen und Gesangsunterricht” nachlesen.
Wollen
Willst du überhaupt vor Publikum auf die Bühne und singen bzw. eine Performance abliefern? Was ist deine Motivation? Diese Frage solltest du dir immer wieder stellen und ehrlich beantworten. Bist du es selbst, oder wünscht sich jemand anderes, dass du auf der Bühne stehst? Das Wollen ist ein großer Punkt innerhalb der Erfolgsformel. Je mehr du intrinsisch, also durch deinen eigenen inneren Wunsch an dir, deiner Stimme und deiner Performance arbeiten möchtest, umso einfacher wird es für dich sein Erfolge zu sehen und das alles hat genau Null mit Talent zutun!
Ich erwähne bei jeder Gelegenheit, dass ich ja der absoluten Überzeugung bin, das wirklich jede/r singen lernen kann. Genauer bin ich im Blogbeitrag “Kann wirklich jede/r singen lernen” dazu eingegangen.
Möglichkeiten
Am Ende wären da noch die Möglichkeiten. Die Möglichkeit überhaupt vor Publikum auftreten zu können gehört als dritter Punkt ebenfalls zu unserer Formel. Was nutzt dir alles an Können, Wollen, Übung, Vorbereitung etc., wenn du nicht auch die Möglichkeit bekommst, dich zu zeigen?
Die Fakten zu Talent aus der Neuropsychologie
Bei Musikern sind jene Hirnregionen stärker ausgebildet, die für die Musikkontrolle notwendig sind. Dies ist allerdings von Musiker*in zu Musiker*in unterschiedlich und hängt auch damit zusammen wieviel und wie qualitativ gut geübt wurde.
In Hirnscans konnten die Wissenschaftler sogar anhand der Anatomie des Gehirns bestimmen, welche Art von Musiker*in sie vor sich haben (Geiger*innen hatten eine andere Hirnanatomie als zB. Sänger*innen).
Vereinfacht gesagt bringen zwar manche Menschen nach der Geburt hirnmäßig bessere Voraussetzungen mit, ein Instrument, oder auch singen zu lernen. Dennoch hängt es mehr davon ab, in welchem Ausmaß und in welcher Qualität das erwählte Instrument geübt wurde. Denn jene Hirnregionen die öfter genutzt werden, vergrößern sich laufend und werden besser vernetzt. Man nennt dieses Phänomen auch Neuroplastizität.
Das heißt aber auch, dass mehr als 95% aller Menschen ein gewisses Potential fürs Musizieren besitzen. Einzelne Ausnahmen sind demnach nur jene Menschen, die unter Amusie leiden. Dies ist ein Handicap, bei dem die Fähigkeit unterschiedliche Töne oder Rhythmen wahrzunehmen gestört ist. Aber davon gehen wir bei dir jetzt einmal nicht aus.
Fazit
Wie du also lesen kannst, ist das Märchen vom Talent leider eines, das sich bereits über Jahrzehnte fälschlicherweise hält. Viele dieser Missverständnisse kommen aus früheren Zeiten, in denen die Forschung noch nicht so weit war wie heute und Dinge wissenschaftlich widerlegen konnte. Der Mythos Talent hält sich so hartnäckig, dass viele Menschen immer noch ihr eigenes Potential unterschätzen und meinen sie haben kein Talent fürs Singen. Dabei gibt uns die Forschung der letzten 20 Jahre das Update, dass Talent als solches maßlos überschätzt wird und die Erfolgsformel eine bessere Antwort auf die Frage liefert, was Erfolg in einem Gebiet, in unserem Fall in der Musik eigentlich ausmacht.
Wichtig ist neben der Häufigkeit des Übens auch die bereits erwähnte Qualität beim Üben. Darum ist es immer ein guter Ratschlag, mit einer/einem guten Lehrer*in, Coach, oder Mentor zusammenzuarbeiten und gemeinsam an vorgegebenen Zielen zu arbeiten. Diese/r holt dich beim Lernen auch genau dort ab, wo du gerade stehst und bringt dich mit den richtigen Inputs auch an dein gewünschtes Ziel.
Also: Verlässt du dich noch auf dein Talent, oder übst du schon? 😉