Der Vagusnerv als (Stimm)Retter – Großer Nerv, Große Wirkung

Der Vagusnerv

Eine spannende Sache, denn er wird nicht umsonst „Ruhe- oder Erholungsnerv“ genannt, immerhin ist er einer der Hauptverantwortlichen für unser seelisches Gleichgewicht und gute Stimmung in unserem Körper. Er beeinflusst unsere Fähigkeit, mit Stress umzugehen und uns rasch von stressigen Situationen zu erholen

Und wofür er obendrein zuständig ist: Er wirkt sich darauf aus, wie wir mit negativen Emotionen umgehen und diese ausdrücken können. Darum hat er großen Einfluss auf unsere Stimme – genauso wenn wir singen!

Wie wir unseren zehnten Hirnnerv beim und durch das Singen nutzen können und wie er für uns arbeitet, erfährst du in diesem Blogartikel.

Inhaltsverzeichnis

Viele geschälte Walnüsse die wie kleine Hirne aussehen

Nervus Vagus – Unsere Nummer 10

Als zehnter unserer zwölf Hirnnerven verläuft der Vagusnerv vom Hirn aus geteilt auf beiden Seiten des Halses entlang, vorbei am Kehlkopf und der Luftröhre, durch die Brust hindurch bis zum Bauchraum.
Er ist der größte Nerv des Parasympathikus (unserem Chill-Motor) und ist bei uns Sänger:innen vor allem für unsere Ein- und Ausatmung sowie für unsere Stimmgebung relevant.
Er ist auf der einen Seite dafür verantwortlich, dass sich die Atemmuskulatur entspannen und das Zwerchfell herabfallen kann, was essentiell für unsere sängerische Tätigkeit ist. Immerhin ist eine funktionierende Atmung bzw. eine optimale Luftsäule unsere Grundressource beim Singen.

Eine entspannte Atmung und ein gut sinkendes Zwerchfell (manchmal wird hier von Bauchatmung gesprochen) sind wichtig für eine gesunde und kräftige Stimme. Daneben steuert der Nervus Vagus unter anderem unsere Herzfrequenz und Verdauung.
Während das sympathische Nervensystem für die Aktivierung unseres Körpers zuständig ist (Adrenalin meldet an den Sympathikus und dieser lässt und wacher und konzentrierter werden, oder bereitet uns auf körperliche Anstrengungen und Stress vor), ist das parasympathische Nervensystem der Gegenspieler.
Beide Teile sind gleichermaßen wichtig für unseren Körper und arbeiten zusammen, um ihn in gesundem Gleichgewicht zu halten und ihm zu ermöglichen, auf verschiedene Situationen und Anforderungen zu reagieren.

Vagus – Der größte von allen

Der Vagusnerv, als größter Nerv des Parasympathikus hat starken Einfluss auf unsere Stressreaktionen. Falls du schon mal in einer aufregenden Situation warst (zB. vor einem öffentlichen Auftritt oder Konzert), hast du bestimmt gemerkt, dass Stress die Stimme beeinträchtigen kann.

Aufregung und Stress lassen die Atemmuskulatur anspannen, was wiederum zu Belastung der Stimmbänder führt. Und das führt wiederum dazu, dass deine Stimme ungewollt höher, heiser, oder kratziger klingt, oder du merkst, dass dir die Luft zum Singen ausgeht, du Töne nicht erreichst, oder quetscht.
Daher ist es wichtig, dass wir Sänger:innen lernen, mit Stress umzugehen und unsere Atemmuskulatur und Stimme nachhaltig zu nutzen.

Dabei ist uns der Vagusnerv eine große Stütze. Er hilft uns nicht nur dabei, klar zu sprechen und unseren Klang gut zu projizieren, sondern unterstützt uns Emotionen zu verarbeiten und mit ihnen zurechtzukommen.

Vagusnerv und (Sing)Stimme beeinflussen sich gegenseitig

Kurz zusammengefasst können wir sagen, dass der Vagusnerv aktiv Einfluss auf deine Stimme hat und somit auch indirekt den Klang deiner Stimme beeinflusst.

Eine gesunde und kräftige Stimme ist neben guter Stimmtechnik davon abhängig, wie gut der Vagusnerv funktioniert und die Stimmbänder entspannt bleiben können. Entspannte Stimmbänder können optimal funktionieren und dadurch frei Schwingen und jede Einstellung annehmen, die wir für unseren Sound haben wollen.

Was jetzt allerdings das absolut Beste ist:

Der Vagus ist nicht bloß Teil unseres Entspannungssystems, sondern kann umgekehrt durch Musik und vor allem Gesang beeinflusst werden!

Kurzum: Vagus – Stimme, Stimme – Vagus.

Der Nerv wird nämlich im Gegenzug durch unsere Stimme mit-aktiviert und unsere Stimme stärkt den Vagusnerv physiologisch bei jedem Klang oder Ton, den wir erzeugen. Nicht umsonst wird Singen oft als therapeutisches Mittel eingesetzt, um die Atmung zu verbessern und Stress abzubauen.
Durch Stimm- und Gesangsübungen, sowie Singen im Allgemeinen stärkst du nicht nur deine Atmung, deine Stimme und verbesserst deinen Gesang. Du trainierst gleichzeitig auch deinen Vagusnerv. Dadurch steigert sich dein (Selbst-)Vertrauen, deine Zuversicht und deine Lebensfreude.

Ein gestärkter Vagus hilft dir außerdem bei deinem nächsten Auftritt, deine Nervosität und dein Lampenfieber besser unter Kontrolle zu halten. 

Eine Sängerin mit Gitarre in Jeans und schwarzem Top, darüber eine braune Lederjacke. Sie singt und spielt Gitarre vermutlich bei einem Singer-Songwriter Konzert

Wie kannst du deinen Vagusnerv trainieren?

Das beste Mittel habe ich bereits verraten: Gesangsunterricht. Denn dort passiert das Training ganz automatisch. Darum ist Stimmtraining und Gesangsunterricht eigentlich auch Happy-Unterricht
Hier schlägst du außerdem zwei Fliegen mit einer Klappe, denn gerade wenn du stark unter Nervosität, oder gar Lampenfieber leidest ist ganzheitlicher Gesangsunterricht eine super Sache und hilft dir auch im Alltag, mehr Ruhe und Gelassenheit zuzulassen. 

Auch wenn du einfach im Auto, in der Dusche, oder beim Spazierengehen vor dich hin singst oder summst: Sobald du deine Stimmbänder vibrieren lässt, trainierst du deinen Vagusnerv gleich mit.
Bei gemeinschaftlichem Singen (zB. in einem Chor, oder im Unterricht) schüttet dein Hirn zudem vermehrt Oxytocin aus. Dieses Bindungshormon sorgt dafür, dass wir uns geborgen fühlen.

Weitere Übungen für den Vagusnerv

Viele Übungen die du in meinem Artikel „Tipps & Tricks wie man Lampenfieber überwindet und erfolgreich bekämpft“ findest, decken sich mit den Übungen für den Vagusnerv. Immerhin ist Lampenfieber ein Ausdruck deines sympathischen Nervensystems, dem das Parasympathische und der Nervus Vagus gegenüberstehen.

Aber ein paar lustige Übungen möchte ich dir dennoch nicht vorenthalten:

  1. Gurgeln. Der Vagus ist neben der Hals- und Kehlkopfmuskulatur auch für unseren Geschmack zuständig und kann daher durch gurgeln aktiviert werden.
  2. Den Kopf drehen. Das kennst du vielleicht, wenn du wie ich regelmäßig Yoga praktizierst. Einmal den Kopf langsam nach links drehen und kurz halten, dann den Kopf langsam nach rechts drehen und ebenfalls kurz halten. Das ganze dann einige Male wiederholen und voilà, das war’s auch schon. Hier aktivierst du den Teil des Vagusnervs, der an der Seite deines Halses entlang läuft.
  3. Die berühmte kalte Dusche. Falls du zu den Hartgesottenen gehörst, die durch nichts zu erschrecken sind, dann ist die kalte Dusche am Morgen eine gute Möglichkeit. Das kalte Wasser dämpft nämlich den Sympathikus und lässt den Parasympathikus aktiv werden.

Übung 3 ist eindeutig nichts für mich. 😅

Fazit

Wie wir singen bzw. welchen Stimmklang wir haben, ob ein Ton gepresst, unterdrückt, leise oder hauchig wird, zeigt bereits im ersten Moment unsere Stimmung auf. Ich sage dazu gerne: Stimme = Stimmung.

Jeder von uns transportiert Emotionen über seine Stimme. Wenn du angespannt, oder gestresst bist, dann folgt auch deine Stimme diesem Aufruf. Das merken wir vor allem, wenn wir nervös sind, oder uns gar Lampenfieber plagt, sobald wir vor Menschen singen sollen.
Wenn allerdings unsere Luftsäule und unsere Stimmbänder optimal zusammenarbeiten, klingt unsere Stimme stark und frei und kann jede Art von Sound erzeugen, den wir uns wünschen.
Und genau hier kommt der Vagusnerv ins Spiel. Er hilft uns dabei, ruhiger und gelassener mit solchen Stresssituationen umzugehen und uns zu entspannen. Außerdem ist der Nervus Vagus an der Steuerung der Atem- und Stimmgebung beteiligt und entspannt die Stimmbänder, wodurch die Stimme tiefer, freier und kräftiger klingt.

Natürlich gehört zur Sounderzeugung eine funktional effiziente und nachhaltige Stimmtechnik. Bei einer funktional optimalen Berührung der Stimmlippen verändert sich der Klang auch nachweisbar akustisch. Es entstehen sogenannte Sängerformanten (zusätzliche Frequenzen) in der Stimme. Diese Frequenzen lassen die Sänger:innenstimme ohne zusätzlichem Aufwand tragfähig und prägnant klingen. Dies kannst du durch regelmäßiges und gezieltes Stimmtraining erreichen. Dabei ist es wichtig, dass du wiederholt übst und dich von einem/einer professionellen Gesangslehrer:in oder Vocal Coach anleiten lässt, um die Übungen richtig anzuwenden. Zudem trainierst du deinen Vagusnerv im Unterricht automatisch mit. 😊

Du siehst also, dass ein gut trainierter Nervus Vagus ein starker Verbündeter beim Singen und im Alltag ist.

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