Belting: Kraftvoll singen mit Leidenschaft und Power
Belting gilt fast als das Nonplusultra innerhalb der Gesangstechnik. Speziell im Pop- und Rockgesang wollen viele die Möglichkeit von kräftigen, hohen und zugleich stabilen Tönen haben. Das führt uns direkt zum Titel dieses Blogartikels.
Mir wurde vor kurzem die Frage gestellt:
„Wenn jede:r singen lernen kann, kann auch jede:r Belting lernen?“
Inhaltsverzeichnis
Klar, es ist definitiv eine der kraftvollsten und für viele eine der emotionalsten Arten des Singens. Ich spreche oft von „Selling oder Money Notes“, also jenen Momenten bzw. Tönen in einem Song, die quasi als unverzichtbar angesehen und von jedem von uns fast schon erwartet werden. In diesem Artikel möchte ich dir eine Antwort auf die Frage liefern, ob jede:r Belting lernen kann und darüber hinaus erkläre ich dir, warum Belting nicht gleich Belting ist. 😉
Gesangstechnik 101: Wenn jede:r singen lernen kann, kann auch jede:r belt lernen?
Hochgezogene Bruststimme, Kopfstimme, oder doch etwas anderes beim Belten?
Manche sehen Belting als eigenständige Stimmtechnik, bei der Sängerinnen und Sänger laute und kraftvolle Klänge erzeugen, während sie dabei gefühlt in ungeahnte Höhen singen. Gebeltete Töne sind auffällig, holen dich ab und wenn wir an typische Belterinnen wie Adele, Whitney Houston, Christina Aguilera etc. denken, dann definieren wir oft genug „gute Sängerinnen“ mit dieser Art des Singens.
Was ist aber Belt genau?
Für viele hören sich diese mächtigen Momente wie eine hohe Bruststimme an, da sie so voll und laut klingen. Doch eines möchte ich dir direkt vorwegsagen: Beim Belten handelt es sich NICHT um eine hochgezogenen Bruststimme!
Belten, so wie ich das sehe, ist eine „Soundvorstellung“, die eine spezifische Vorgehensweise bzw. Stimmeinstellung erfordert, vor allem dann, wenn deine Stimme dir lieb ist und du langfristig keine Schäden an den Stimmbändern erleiden möchtest.
Diese Technik, die bruststimmähnlich ist, kennst du vermutlich vor allem aus dem Rock- und Popgesang bzw. Musical, aber auch Soul, R’n’B und Gospel bedienen sich ihrer immer wieder.
Diese (manchmal erschreckend laute) Stimmbandeinstellung ist einfach bekannt dafür, Emotionen zu vermitteln und dem Gesang eine gewisse Dramatik zu verleihen. Genau darum, wollen so gut wie alle, die je singen lernen wollen, früher oder später Belting lernen.
Wie erlernt man Belten?
Wie bereits erwähnt sehe ich Belting als eine gewisse „Soundvorstellung“, anstelle einer separaten Gesangstechnik. Lass mich dir kurz erklären warum:
Deine Gesangstechnik sollte per se einfach nur Folgendes sein: nachhaltig!
Damit ist gemeint, dass es im Grunde einmal darum geht, eine gesunde und langfristig tragfähige (Gesangs-)Stimme zu entwickeln und anzuwenden.
Dies passiert im Gesangsunterricht bzw. in Stimmsessions oft durch sogenannte „Unfinished Sounds“, mit denen du übst, bevor es zB. mit Songs ans Eingemachte geht.
Selbst, wenn du deine Stimme über einen längeren Zeitraum hinweg in den unterschiedlichsten Formen verwendest, sollte es nie zu stimmlichen Problemen, oder gar Verletzungen führen. Darum ist es im ersten Schritt einmal wichtig, dass du dich und vor allem deine Stimme gut kennenlernst. Lerne erstmal mit den Basics umzugehen, ohne direkt in extreme Sounds, zu denen meiner Ansicht nach Belt gehört, einzusteigen.
Ich vergleiche Singen gerne mit Sport. Du würdest doch auch niemals ohne Training und entsprechender Vorbereitung sportlich sehr anspruchsvolle Wettbewerbe bestreiten. Und schon gar nicht Extremsportarten oder?
Singen bzw. den Umgang mit deiner Stimme zu meistern ist für mich wie eine (neue) Sportart zu erlernen und erst mal die Grundlagen so weit kontrollieren zu können, dass du ohne Probleme und Hindernisse jederzeit selbstbewusst und frei darauf lossingen könntest.
Nehmen wir ein Beispiel das vielleicht für viele zugänglich ist: Tanz.
Hast du schon einmal einen Tanzkurs besucht? Womit hast du dort angefangen? Falls du noch keinen mitgemacht hast: Meist beginnt man mit den Grundschritten. Darauf baust du dann Stunde für Stunde auf, bis du einen ganzen Tanz erlernt und gemeistert hast. Das klappt für manche schneller, andere brauchen vielleicht etwas länger. Aber es funktioniert für die meisten so weit, dass sie beim Fortgehen in einem Tanzlokal sich trauen würden, darauf loszutanzen.
Aber würdest du direkt in der ersten Tanzstunde nach Rock’n’Roll-Akrobatik fragen und auf Anhieb versuchen damit einzusteigen? Ich denke nicht.
Mit deiner Stimme verhält es sich genauso. Belten zu erlernen (wie übrigens generell singen lernen) erfordert weniger Talent, als mehr Zeit, Geduld und Übung. Natürlich gibt es auch Menschen, denen es aus ihrem „Gewohnheitszustand“ heraus leichter fällt diese Art des Singens umzusetzen. Wichtig ist, aber auch hier auf die Nachhaltigkeit des Ganzen zu achten.
Unterschiedliche Stilistiken beim Belting und beim Singen
Bestimmt kennst du bekannte Belter:innen wie Aretha Franklin, Freddie Mercury, Whitney Houston, Christina Aguilera und viele andere, die Belting zu einem unverzichtbaren Bestandteil ihrer Musik und ihren Songs gemacht haben. Logisch: Es verleiht ihren Liedern eine einzigartige Stimmung und ermöglicht es ihnen, sich kraftvoll auszudrücken. Außerdem verleiht es, neben ihrer Bühnenperformance ihren individuellen Bühnenpersönlichkeiten On Stage eine besondere Intensität.
Tatsächlich ist es jedoch äußerst wichtig zu verstehen, dass es, sagen wir einmal unterschiedliche „Belting-Varianten“ gibt, die je nach Stilistik anders klingen und sich in der stimmtechnischen Einstellung unterscheiden. Kurzum: Belting ist nicht gleich Belting.
Was meine ich genau damit?
Wenn du jetzt an typische große Musicals denkst, dann wirst du direkt eine bestimmte Klangvorstellung von den „hohen, lauten Tönen“ haben. Genauso verhält es sich, wenn du Songs von Popgrößen wie Adele hörst. Oder wenn du zum Beispiel Lady Gaga und Ariana Grande miteinander vergleichst, wirst du Unterschiede erkennen (oder besser gesagt erhören) können. Du kannst dir also vorstellen, das dieser Umstand zu Verwirrung und manchmal heftigen Diskussionen darüber führt, wie man Belt genau definieren soll.
Für mich persönlich ist daher wieder das Vokabular „Soundvorstellung“ ein gutes. Solltest du schon einmal eine Stimm-Session bei mir gehabt haben, wirst du vermutlich bereits die Frage bekommen haben: „Und, wie möchtest du dort klingen bzw. welchen Sound soll der Ton/die Phrase für dich haben?“
Generell kann man aber sagen, dass die Belt-Stimme „hell, prägnant und metallisch“ klingt, was auf die spezielle Einstellung des Vokaltrakts für Belting zurückzuführen ist.
Tausend Gesangstechniken, aber nur eine Grundeinstellung um Belten zu lernen?
Die Belting-Technik im Detail
Was passiert nun beim Belting und wie wird diese Stimmeinstellung erreicht?
Bei jeder Art von Gesang ändern sich deine Stimmlippen laufend in ihrer Dynamik, Dehnung und Dicke, je nachdem welche Tonhöhe, Lautstärke, oder welchen Klang du anstrebst.
Grundsätzlich sind für deine Stimme zwei Hauptmuskeln zuständig: Die Thyroarytenoid-Muskeln und die Cricothyroid-Muskeln. Ohne genau auf die Details bzw. das Zusammenspiel der beiden Beteiligten einzugehen kann ich dir knapp verraten, dass die zwei in ihrer Zusammenarbeit dafür zuständig sind deine Stimmlippen zu verkürzen und verdicken (dicke Stimmbandeinstellung = Bruststimme = laute, tiefe Töne), sowie zu verlängern und verdünnen (dünne Stimmbandeinstellung = Kopfstimme = leise, hohe Töne).
Beim Belting ist daher eine gute muskuläre Kontrolle dieser beiden von großer Bedeutung. In der Estill Vocal Technique wird davon ausgegangen, dass auch der Cricoid Tilt eine große Rolle spielt. Dieser ist dafür zuständig, dass deine Stimmlippen kürzer und dicker eingestellt bleiben können und dir somit eine längere Schlussphase deiner Stimmbänder erlaubt. Eine längere Schlussphase heißt im Umkehrschluss einen höheren subglottischen Luftdruck, was wiederum heißt, dass die Amplitude deiner erzeugten Schallwellen größer ist, also die Lautstärke deiner Stimme erhöht.
Weiters spielen dein Kehlkopf (beim Belten sollte dieser „hoch“ eingestellt sein), deine Zungenposition (ebenfalls hoch) und dein Aryepiglottic Sphincter (kurz AES – er ist zuständig für deinen „Twang“) eine entscheidende Rolle.
Auch wie du Vokale für diesen speziellen Sound ausgleichen bzw. modifizieren kannst, sollte separat geübt werden. Genauso wie dein gesamter Körper dich dabei unterstützen kann.
Wichtig ist zudem, dass du sehr auf deine eingesetzte Luftmenge achten solltest. Viele ungeübte Sänger:innen verwechseln zu Beginn „laut“ automatisch mit „mehr“. Daher empfehle ich meinen Schüler:innen im Gesangsunterricht und beim Üben vor den „Money Notes“ vorerst einmal bewusst auszuatmen, um ein Hochdrücken der Bruststimme zu vermeiden und das Verletzungsrisiko zu minimieren.
Da Belting vor allem beim erstmaligen Erlernen einiges an Konzentration benötigt, solltest du diesen Sound nicht versuchen „bloß mal so nebenbei“ zu erzeugen. Es ist wichtig, dass deine Stimmlippen nicht zu „heavy“ (zu dick) eingestellt sind, vor allem wenn du höher wirst und dass du deine Schlussphase währenddessen nicht erhöhst.
Kurz: Ein gewisses Gefühl von „ausdünnen“ ist daher für einen nachhaltigen Belting-Sound essenziell.
Wenn du die richtige Balance bzw. Einstellung nicht findest führt das meist zu gepressten Tönen, oder zu einem „Kippen“ bzw. „Brechen“ deiner Stimme in eine andere Klangqualität bzw. in ein anderes Stimmregister.
Die Bedeutung der Stimmregister beim Belten
Da ich persönlich Belten nicht als eigene Gesangstechnik, sondern als „Soundeinstellung“ beim Singen sehe, ist der erste Schritt in diese Richtung meiner Meinung nach eine solide Basis. Also dein Stimmfundament, dass in jedem Fall stehen sollte, bevor du dich an fortgeschrittene Sounds wie eben Belting, aber auch Distortion-Sounds etc. ran traust.
Warum?
Ein solides Stimmfundament heißt, dass für dich klar sein sollte, wie sich eine „dicke Stimmbandeinstellung“, also Bruststimme, eine „dünne Stimmbandeinstellung“, also Kopfstimme anfühlt und wie du einen sauberen Übergang zwischen diesen Registern („Bridge“) hinbekommen kannst.
Wie?
Indem du muskulär gelernt hast, wie du deine Stimmlippen graduell ausdünnst und so beide Einstellungen mischen bzw. überblenden kannst. Hier kommt auch manchmal der Terminus „Mischstimme“ ins Spiel. Darüber hinaus gibt es noch andere Registerübergänge zb. von der Kopfstimme ins Pfeifregister.
Beim Belting umgehen wir diese „natürlichen Register“ durch die Erweiterung eines TA-dominanten Bereichs, also des Bruststimmregisters.
Wie erwähnt ist die Schlusszeit dort länger und die Einstellung der Stimmlippen kürzer und dicker, als es für die meisten Stimmen „natürlich“ wäre. Wenn du alles richtig machst, ist dies auch nicht ungesund. Es wird erst dann zum Problem, solltest du deine Stimme noch nicht richtig konditioniert haben. Du musst sukzessive lernen, welche Koordination die Stimmlippen und die beteiligten Muskeln brauchen, um sicher zu stellen, dass du deine Stimme nicht auf Dauer schädigst.
Ein guter Hinweis für „too much“ kann (neben Pressen, Quetschen, oder Flips) sein, dass sich deine Phrasen „schreiend“ anhören und eher unangenehm für dein Gegenüber sind.
Vielmehr hört sich der Belting-Sound an wie beim Rufen.
Hier reicht meist schon eine Anpassung deiner Vokale und deines Luftstroms bzw. Atemdrucks, um eine gute Balance bis in die Höhen zu halten und Stress zu vermeiden.
Was aber mindestens genauso wichtig ist, ist die Entwicklung einer starken Kopfstimme. Ohne sie bekommst du eventuell Schwierigkeiten einerseits die unterschiedlichen Register zu überblenden, aber auch deine hohen gebelteten Töne mit einem klaren und verbundenen Klang zu singen.
Emotionen und Ausdruck
Die Kombination aus kraftvoller Musik, mitreißender Performance und ausdrucksstarkem Gesang kann beim Publikum starke Emotionen hervorrufen.
Als Klangvorstellung ist Belting nicht nur eine technische Fertigkeit, sondern eine Möglichkeit, tiefgehende Gefühle auszudrücken.
Was ich dir allerdings mitgeben möchte: Belting ist nur eine von vielen „Soundeinstellungen“, die es in der Musikwelt gibt.
Andere wie die Falsett, Kopfstimme, die verschiedensten Arten von Mischstimme, oder auch alle Arten von Sounds die hier zu finden sind haben genauso ihren Wert und können deinen Songs ihre individuelle Note verpassen.
Nicht jeder Sänger oder jede Sängerin muss belten können, um als „gut“ oder erfolgreich angesehen zu werden. Neben Billie Eilish gibt es genügend Beispiele, die in der heutigen Zeit und den unterschiedlichen Stilen zu finden sind.
Die Vielfalt in der Musik ist entscheidend, und jede Stimme, unabhängig von ihrer Stilrichtung, kann auf ihre eigene Weise einzigartig und beeindruckend sein.
Und außerdem: Kein Song wird die ganze Zeit hindurch gebeltet. 😉
Wahre stimmliche Stärke liegt in der Vielfalt und der Fähigkeit, die verschiedensten Facetten deiner Stimme auszuleben.
Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse des Beltings im Gesang
Schlussbetrachtung zum Thema Belting
Basierend auf der Estill Vocal Technique sind deine Stimmlippen wenn du beltest kurz und dick eingestellt. Gemischt mit den anderen richtigen Einstellungen gibt sie deiner Stimme die notwendige Brillanz und Durchsetzungskraft. Da sie sich für viele allerdings außerhalb ihrer „Comfort Zone“ bewegt, fühlt sich diese Art zu singen im ersten Moment möglicherweise ungewohnt an und braucht einiges an Übung für die richtige Koordination deiner Stimmlippen und der beteiligten Muskeln.
- Belting ist eine beeindruckende Möglichkeit zu singen, die in der Rock- und Popmusik, sowie in genügend anderen musikalischen Stilistiken eine wichtige Rolle spielt.
- Um Belt zu erlernen, ist eine gute Anleitung und regelmäßiges Stimmtraining unerlässlich, um die Stimme richtig zu konditionieren.
- In der Gesangspädagogik und im Vocal Coaching sprechen wir von Bruststimmeinstellung – Belten heißt aber nicht, die Töne in der Bruststimme nach oben zu ziehen!
- Wichtig ist eine nachhaltige Stimm- und Gesangstechnik zu entwickeln. Dazu gehört auch ein solides Stimmfundament mit den Basics!
- Das Belten ermöglicht es Sänger:innen, starke Emotionen auszudrücken und Geschichten zu erzählen, und kann das Publikum tief berühren. Es heißt aber nicht, dass es nicht auch ohne geht.
- Belting alleine ist nicht der einzige Grund für „guten“ Gesang. Gesangsstile sind heute individueller den je.
- Am Ende des Tages zählt vor allem eines: Eine gesunde Stimme und Nachhaltigkeit!
Ein:e gute:r Gesangslehrer:in wird dir im Gesangsunterricht eine genaue Step by Step Anleitung zu deinen Gesangszielen aufzeigen. Sobald du ein solides gesangtechnisches Fundament aufgebaut hast, kann ein echter „Belter-Klang“ als eine der verfügbaren Nuancen in deinen Stimmfärbung eingeführt werden, ebenso wie „extreme“ stimmliche Effekte (Screaming, Distortion etc.).
Wenn jede:r singen lernen kann, kann auch jede:r Belting lernen?
Auf diese Frage gibt es von mir ein definitives JA!
Wenn du jedoch zum Ziel hast, ausschließlich „Belting“ zu lernen, wirst du als Sänger:in schnell an dein Limit kommen. Erst die Vielfalt in deiner Stimme zeigt, wie einzigartig du bist. =)